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Langzeitarmut - Endstation ohne Rückkehr? Warum es einen Integrationszuschlag braucht

Aktualisiert: 28. Apr.

Langzeitarmut macht potenziell krank und einsam - ein Integrationszuschlag würde helfen. Betroffen sind in der Schweiz vor allem Menschen mit Behinderung, Senioren und alleinerziehende Mütter mit minderjährigen Kindern.


Das jahrelange Leben auf oder unter* dem Existenzminimum belastet in vielfältiger Weise, und zwar dort, wo es wirklich weh tut. Viele Aktivitäten, welche für andere selbstverständlich sind und für einen gesunden Lebensstil wichtig wären, liegen ausser Reichweite. Die Teilnahme an einem oder mehreren Vereinen, Ausflüge oder Restaurantbesuche mit Freunden? - Keine Chance! Vereinsamung ist die Folge. Nicht selten bleibt nicht einmal das Geld für Fahrten mit dem ÖV. Kommen gesundheitliche Probleme dazu, wird es noch schwieriger.


Das Leben kreist darum, wo man in der Nähe günstig zu Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs kommt und um die Verpflichtungen des Alltags. Für viele Langzeitarmutsbetroffene ist dieser Alltag traurig und monoton. Man sieht ständig dieselben Orte. Der Kontakt mit anderen besteht oft aus Besuchen von Institutionen, wo man Kollegen trifft, die in etwa dasselbe erleben und davon berichten.

Bildung? Kultur? Lebensperspektiven entwickeln? - Nahezu unmöglich! Und zur Scham aufgrund der Armut an sich gesellt sich die Scham, nicht mehr mitreden zu können und deshalb als dumm zu gelten.


Integrationszuschlag - Es braucht finanzielle Unterstützung für Bildung und soziale Teilhabe


Langzeitarmutsbetroffene brauchen mehr Zugang zum sozialen Leben und zu Bildung.

Sowohl bei der Sozialhilfe, als auch bei den Ergänzungsleistungen sollte ein einheitlicher Integrationszuschlag „für Bildung und Teilhabe“ Teil der Unterstützung sein und so abgerechnet werden wie aktuell die Krankheitskosten.

Im Rahmen eines fixen jährlichen Betrags würden beispielsweise die Kosten für die Mitgliedschaft in einem Verein, für einen Kurs oder ein Ferienlager vergütet, sofern beim zuständigen Amt der Nachweis für die entsprechende Anmeldung eingereicht wird.


Fairer Zusatzverdienst? - Leider nein!


Durch den sogenannten Schwelleneffekt** und zu geringe Freibeträge können die wenigsten Betroffenen einen Zusatzverdienst erzielen, der es ihnen eine bessere soziale Teilhabe in der Praxis erlauben würde. Von einem Schwelleneffekt spricht man, wenn mehr Lohn zu einer Reduktion des frei verfügbaren Einkommens führt. Das frei verfügbare Einkommen ist das Einkommen, das nach dem Abzug der Fixkosten und der Steuern einem Haushalt zur Verfügung steht.


Beispiel: Eine Person verdient aufgrund einer Veränderung beim Einkommen 100 Franken mehr im Monat, hat aber effektiv mehrere hundert Franken weniger zur Verfügung, weil sie aufgrund einer Einkommensschwelle keine Sozialhilfe mehr erhält.


Derzeit werden den Bezügern von Ergänzungsleistungen nach Einräumung eines Freibetrags von 1‘300 Franken pro Jahr zwei Drittel ihres Verdienstes an die EL angerechnet. Von dem Kleinstpensum, welches jemand mit einer vollen IV- oder AHV-Rente leisten kann, bleibt nur sehr wenig übrig. Und die Steuerbelastung kommt noch dazu.


Noch prekärer sieht es bei Sozialhilfebezügern aus. Im Kanton Zürich zum Beispiel darf ein alleinerziehendes Mami, welches an einem Tag pro Woche arbeitet, 80 Franken pro Monat von ihrem Verdienst behalten.


Freiwilligenarbeit als Instrument zur Integration?


Hierbei sollte bedacht werden, dass Freiwilligenarbeit von Armutsbetroffenen zwar eine Abwechslung im Alltag bieten und ihren geistigen Horizont etwas erweitern kann.

Doch auch hier stellt sich Betroffenen oft das Problem, dass sie andere Kollegen, die nicht armutsbetroffen sind, kennenlernen, dann in der Freizeit doch nicht mit ihnen in Kontakt stehen, da sie finanziell nicht mithalten können.


Der Integrationszuschlag als Gesundheitsprävention


Er würde die bekannten psychischen und körperlichen Folgen der Langzeitarmut wie Depressionen oder Übergewicht mindern oder bei manchen gar nicht erst entstehen lassen.

Diese Folgen verursachen jährlich bedeutsame Kosten im Gesundheitswesen.


Armutsbetroffene sind siebenmal häufiger*** in psychiatrischer Behandlung als der Durchschnitt der Schweizer Bevölkerung.

Menschen in Armut leben oft an schlechten Wohnlagen, mit viel Verkehr und wenig Grünflächen. Sie haben ein sechsfach höheres*** Risiko an Lungenkrebs zu erkranken als Personen mit einem höheren Einkommen.


Wir rufen die politischen Entscheidungsträger dazu auf, sich auf kantonaler und nationaler Ebene für einen Integrationszuschlag einzusetzen, der Langzeitarmutsbetroffenen ein lebenswertes Leben ermöglicht. Auch die Freibeträge und Anrechnungsquoten für Zusatzverdienste sollten angepasst werden.


Forum der Armutsbetroffenen Schweiz


Das Forum der Armutsbetroffenen Schweiz ist eine soziale Aktion der IG Integration Jetzt Basel. Website: https://integration-jetzt.jimdofree.com



Informationen/Quellenangaben


*)

Das Leben unter dem Existenzminimum trifft Personen, welche durch Arbeit, Rente oder Alimente gerade ein wenig zu viel verdienen, als dass sie Anrecht auf Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen hätten.


**)


***)

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