Stellenlose durch KI - wir brauchen ein Nationales Mindesteinkommen
- zusammenschweiz

- 10. Nov.
- 6 Min. Lesezeit
Welche Vorteile hätte ein Nationales Mindesteinkommen NME für Stellenlose, Menschen mit Behinderung oder Senioren, welches von einer einzigen Behörde ausbezahlt würde, mit modularen Leistungen je nach Situation wie Behinderung oder Pflegebedürftigkeit?

In der Schweiz ist das heutige
Sozialversicherungssystem zersplittert.
Die Sozialhilfe wird kantonal geregelt, die Ergänzungsleistungen national, mit Zusatzleistungen je nach Kanton. Dasselbe gilt für die Ausgleichskassen (Beispiel Basel-Stadt: Kantonale Beihilfe).
Die Einführung eines Nationalen Mindesteinkommens NME, das von einer einzigen Behörde verwaltet wird und modular aufgebaut ist, könnte erhebliche Vorteile gegenüber dem aktuellen Schweizer Sozialversicherungssystem bieten.
Vorteile eines nationalen, modularen Mindesteinkommens
1. Administrative Effizienz und Vereinfachung
Das derzeitige System ist durch eine Vielzahl von kantonalen und nationalen Stellen (Sozialhilfe, Ergänzungsleistungen, IV, AHV-Zusatzleistungen) gekennzeichnet, was zu hohem administrativem Aufwand führt.
Bürokratieabbau: Eine einzige nationale Behörde würde die Notwendigkeit komplexer Schnittstellen und Zuständigkeitsfragen zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden stark reduzieren.
Kostenersparnis: Die Konsolidierung von Personal und Infrastruktur könnte zu erheblichen Einsparungen bei den Verwaltungskosten führen.
Vereinheitlichung der Prozesse: Statt unterschiedlicher Formulare und Verfahren gäbe es einen einzigen Antragsprozess ("One-Stop-Shop"), was die Antragstellung für Bürger und Behörden vereinfachen würde.
2. Gerechtigkeit und Gleichbehandlung
Die kantonale Regelung der Sozialhilfe führt derzeit zu einem "Kantönligeist" mit unterschiedlichen Leistungen und Anspruchsvoraussetzungen (sogenannte "Wohnsitzlotterie").
Überall gleiche Mindestsicherung: Ein nationaler Standard würde sicherstellen, dass alle bedürftigen Bürger in der Schweiz unabhängig von ihrem Wohnort eine gleiche Grundsicherung erhalten.
Verhindern von Kantonsflucht: Es würde den Anreiz für Kantone nehmen, Sozialhilfeempfänger in andere Kantone zu verlagern.
3. Gezielte und Flexible Unterstützung durch Modularität
Der modulare Ansatz – das heisst, ein Basiseinkommen ergänzt durch spezifische Zuschläge – würde eine präzisere und bedarfsgerechtere Unterstützung ermöglichen.
Basis-Sicherheit: Das Mindesteinkommen würde die Existenz für alle decken (Stellenlose, Senioren, Menschen mit Behinderung).
Modulare Zuschläge: Spezifische Zuschläge könnten automatisch für besondere Bedürfnisse gewährt werden, wie Behinderung/Invalidität: Höhere Kosten für Hilfsmittel oder Therapien, Pflegebedürftigkeit: Zuschüsse für häusliche Pflege oder Heimplätze, Wohnkosten: Berücksichtigung regional unterschiedlicher Mietpreise.
Bessere Planungssicherheit: Die Betroffenen hätten eine klare, verlässliche Einkommensquelle, was psychisch entlastend wirkt und die gesellschaftliche Teilhabe fördert.
4. Förderung der Arbeitsaufnahme (für Stellenlose)
Das heutige System kann durch die rigiden Regeln der Sozialhilfe zu einer sogenannten "Sozialhilfefalle" führen, bei der sich die Aufnahme einer geringfügigen Arbeit aufgrund des Schwelleneffekts finanziell kaum oder gar nicht lohnt, weil die Sozialleistungen fast im gleichen Umfang gekürzt werden.
Bessere Anreize: Ein nationales Mindesteinkommen, das eine flachere Ausstiegsrate (d.h. weniger Kürzung der Leistung pro Franken Verdienst) hätte, würde den Anreiz zur Arbeitsaufnahme erhöhen.
Förderung geringfügiger Arbeit: Es würde Menschen ermöglichen, ohne den vollen Verlust ihrer Grundsicherung stundenweise oder in Teilzeit zu arbeiten, was eine Brücke zurück in den Arbeitsmarkt darstellt.
5. Mehr Raum für die soziale Arbeit/Wiedereingliederung
Die Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen könnten sich intensiver um ihre Klienten kümmern, und zwar im inklusiven Rahmen, der auch Menschen mit Behinderung einschliesst. Das Problem der Aussteuerung und separaten Institutionen zur beruflichen Wiedereingliederung (RAV, Sozialhilfe, IV) würden wegfallen. Auch die Unterstützung für Aus- und Weiterbildung könnte ausgebaut werden, finanziert durch entsprechende Module des NME oder durch ein steuerbefreites Sparkonto für Aus- und Weiterbildung, in das ab dem 18. Lebensjahr eingezahlt werden könnte.
Obwohl die Vorteile des NME signifikant wären, müsste ein solches System auf dem Weg der Einführung bedeutende Herausforderungen bewältigen.
Kosten und Finanzierung: Die Definition der Höhe des Mindesteinkommens und die Finanzierung des Gesamtpakets auf nationaler Ebene, zum Beispiel durch eine sozial gerechte Mikrosteuer auf alle elektronischen Transaktionen, wären die grössten politischen Hürden.
Souveränitätsverlust der Kantone: Die Kantone müssten ihre Zuständigkeit für die Sozialhilfe abgeben, was auf politischen Widerstand stossen könnte.
Definition der Module: Die genaue Definition der Zuschläge müsste sehr sorgfältig erfolgen, um Lücken und Doppelzahlungen zu vermeiden.
Ein nationales, modulares Mindesteinkommen könnte die Komplexität des Sozialversicherungssystems deutlich reduzieren, die soziale Gerechtigkeit erhöhen und die gesellschaftliche Integration von Menschen in schwierigen Lebenslagen in der Schweiz signifikant verbessern, denn die aktuellen Herausforderungen mit dem heutigen System, insbesondere der Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen, sind offensichtlich.
Aktuelle Herausforderungen bei Ergänzungsleistungen (EL)
Die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV sind eine zentrale Säule zur Vermeidung von Alters- und Invaliditätsarmut. Sie sind jedoch in ihrer heutigen Form mit spezifischen Problemen konfrontiert, die durch ein nationales Mindesteinkommen vereinfacht werden könnten.
1. Komplexität und Bürokratie
Fehlende Ausschöpfung (Non-Take-up): Die Komplexität und die oft als stigmatisierend empfundene Antragstellung, welche mindestens zwei Ämter involviert, führen dazu, dass viele Personen, die Anspruch hätten (insbesondere Senioren), die Leistung nicht beziehen. Schätzungen gehen von einer hohen "Non-Take-up"-Rate aus.
2. Die Rolle der Kantonalen Zusatzleistungen (ZL)
Zersplitterung: Zusätzlich zu den nationalen EL gibt es in vielen Kantonen zusätzliche kantonale Leistungen (Zusatzleistungen oder ZL), zum Beispiel zur Deckung zahnärztlicher Kosten oder für Hilflosigkeit.
Ungleichheit: Dies führt zu regionalen Unterschieden in der Unterstützung. Eine Person im Kanton A erhält für dieselbe Situation (z.B. hohe Zahnarztkosten) eine Deckung, während eine Person im Kanton B die Kosten selbst tragen muss. Dies untergräbt das Prinzip der Gleichbehandlung.
Herausforderung Sozialhilfe
Die Sozialhilfefalle für Stellenlose und Niedrigverdiener (Schwelleneffekt)
Die Sozialhilfefalle beschreibt die Situation, in der ein Stellenloser oder eine Person in prekären Verhältnissen keinen oder nur einen geringen finanziellen Anreiz hat, eine Arbeit aufzunehmen oder den Arbeitsgrad zu erhöhen, weil die staatlichen Leistungen (Sozialhilfe, EL) im gleichen Zug gekürzt werden.
Das Problem: Bei der Sozialhilfe wird jeder verdiente Franken (abzüglich eines kleinen Freibetrags, dem sogenannten Erwerbsfreibetrag) fast vollständig (oft zu 80-100%) von der Sozialhilfeleistung abgezogen.
Die Folge: Unsicherheit und Abhängigkeit -
Der tatsächliche finanzielle Gewinn durch die Aufnahme einer geringfügigen oder schlecht bezahlten Arbeit ist minimal oder null. Dies stellt einen negativen Anreiz dar und erschwert den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt.
Ein ähnlicher Effekt zeigt sich bei den Ergänzungsleistungen, wenn gleich in geringerem Ausmass.
Mangelnde Nachhaltigkeit: Die Betroffenen bleiben in einem Zustand der finanziellen Abhängigkeit und des geringen Vertrauens in die eigenen Bemühungen, da der Weg in die finanzielle Autonomie durch die Abzüge steinig ist.
Ein nationales, modulares Nationales Mindesteinkommen würde diesen Problemen entgegenwirken, indem es
Die EL und ZL in ein Modul überführt und so die Ungleichheit beseitigt sowie das Antragsverfahren vereinfacht.
Eine "sanftere" Entzugsrate festlegt. Das heisst, von jedem zusätzlich verdienten Franken würde nur ein Teil (z.B. 30-50%) vom Mindesteinkommen abgezogen. Dies würde den Anreiz zur Arbeit erhöhen und die Sozialhilfefalle entschärfen.
Wie kann das Nationale Mindesteinkommen finanziert werden?
Die Kernfrage lautet:
Wie wird ein solches Nationales Mindesteinkommen (NME) in der Schweiz finanziert, ohne die Wettbewerbsfähigkeit oder die Staatsfinanzen zu gefährden?
Die Finanzierung eines NME – das eine Vielzahl von bestehenden Sozialleistungen ersetzen und zusätzlich die Grundversorgung sichern soll – würde eine grundlegende Umstrukturierung des Schweizer Steuer- und Abgabensystems erfordern.
Finanzierungsmodelle und -quellen
1. Umlagerung bestehender Sozialleistungen
Das NME soll die derzeit zersplitterte Sozialhilfe, die Ergänzungsleistungen (EL) sowie Teile der Invaliden- (IV) und Altersversicherung (AHV) ersetzen. Die dadurch freiwerdenden Mittel bilden eine grosse Finanzierungsquelle.
Freiwerdende Mittel: Ein erheblicher Teil der heutigen Ausgaben für Sozialhilfe, EL und Verwaltungskosten (welche durch die Zentralisierung entfallen) könnte direkt ins NME überführt werden.
Volumen: Schätzungen, die im Rahmen der BGE-Initiative 2016 diskutiert wurden, zeigten auf, dass durch die Umlagerung von Bund, Kantonen und Gemeinden Milliarden Franken freigesetzt werden könnten.
Dies ist keine zusätzliche Belastung, sondern eine Umverteilung und Effizienzsteigerung bestehender Budgets.
2. Reform des Steuersystems (Steuerschwerpunkte)
Da die Umlagerung allein nicht ausreicht, um ein existenzsicherndes NME zu finanzieren, müssten zusätzliche Einnahmen generiert werden. Hier kommen spezifische Steuerreformen ins Spiel.
3. Erhöhung der Mehrwertsteuer (MWST)
Modell: Eine Anhebung des regulären MWST-Satzes um mehrere Prozentpunkte würde eine breite und stabile Finanzierungsbasis schaffen.
Argument: Da das NME die Konsumkraft der Empfänger unmittelbar stärkt, fliesst ein Teil des Geldes über die erhöhte MWST direkt wieder an den Staat zurück (sog. Rückflusseffekt).
4. Spezielle Abgaben auf elektronische Finanztransaktionen (Mikrosteuer)
Modell: Die Einführung neuer oder die Erhöhung bestehender Steuern auf Finanzgeschäfte (z.B. eine kleine Abgabe im Promille-Bereich auf jeden bargeldlosen Zahlungsverkehr). Dies wäre auch auf Kapitaleinkünfte (Zinsen, Dividenden) anwendbar.
Die Finanzwirtschaft und der technologisierte Zahlungsverkehr sollen zur Finanzierung beitragen, da sie tendenziell weniger Lohnsumme (die Basis der heutigen Sozialabgaben) und mehr automatisierte Gewinne generieren.
5. Die Negative Einkommensteuer (NET)
Modell: Bei der NET entfällt das NME als separate Zahlung und wird direkt über das Steuersystem abgewickelt.
Unter der Schwelle: Wer wenig oder nichts verdient, erhält eine negative Steuer (d.h. eine Auszahlung vom Staat) bis zur Höhe des NME.
Über der Schwelle: Wer mehr verdient, zahlt Steuern.
Der Vorteil: Die NET ist administrativ sehr effizient, da sie das Auszahlungssystem direkt in die Steuererklärung integriert. Dies reduziert die Komplexität und Stigmatisierung der heutigen Sozialhilfe.
Der Nachteil: Da die Veranlagung der Steuern jährlich erfolgt, käme es mitunter zum
Jahresende zu Rückzahlungen, so, wie es heute bei den Prämienverbilligungen praktiziert wird.
6. Lohnabgaben und Sozialversicherungen (Umlageverfahren)
Ein NME kann auch durch eine breitere Umlage auf Einkommen und Unternehmensgewinne finanziert werden, welche die heutigen separaten AHV/IV/ALV-Beiträge ablöst.
Neugestaltung der Sozialbeiträge: Die heutigen Lohnprozente für die Sozialversicherungen könnten zu einem einzigen, höheren Satz zusammengefasst werden, der primär das NME finanziert.
Anreizeffekt: Bei diesem Modell würde der Teil des Lohns, der das NME übersteigt, mit einem flacheren Abzugssatz besteuert, um den Anreiz zur Arbeit zu erhalten (siehe Sozialhilfefalle).
Finanzierungsquellen: Mechanismen und Relevanz für das Nationale Mindesteinkommen
Umlagerung: Einsparungen durch Wegfall von EL, Sozialhilfe, kantonalen Zusatzleistungen
Mehrwertsteuer: Erhöhung des regulären oder Einführung eines neuen Satzes. Breiter, stabiler Konsum-Beitrag
Finanz- und Kapitalsteuern: Neue Abgaben auf Transaktionen, Technologieumsätze oder erhöhte Kapitalsteuern. Berücksichtigung der Digitalisierung
Negative Einkommensteuer: Integratives System, das die Auszahlung des NME über die Steuerbehörden regelt. Hohe administrative Effizienz
Umlageverfahren: Ablösung der separaten AHV/IV/ALV-Beiträge. Vereinfachung des Beitragssystems, Anreiz zur Erwerbtätigkeit
Die Herausforderung in der Schweiz liegt vor allem in der politischen Akzeptanz der notwendigen massiven Umstrukturierung.
Die gewählte Finanzierung muss Gerechtigkeit, Stabilität und die Erhaltung des Arbeitsanreizes unter einen Hut bringen.




Kommentare